Ausstellung

Dienstag 12.12.2006 – Samstag 16.12.2006

Extreme Landschaften

Dienstag 12.Dezember 2006 18h  Ausstellungseröffnung

Extreme Landschaften
Landschafts - Projekte mit  NEAT Aushub

Präsentation der Ergebnisse des EntwurfStudios (Fachbereich Landschaftsplannung, Architektur, Stadteplannung Uni Kassel)zum gestalterischen Umgang mit der Deponierung des Ausbruchmaterials beim Bau des Schnellbahnstreckennetzes durch das Zentralmassiv der Alpen (NEAT, AlpTransit).

Dienstag 12.Dezember  18:30
Einführungsvortrag Ariane Röntz, (Prof., FG Landschaftsarchitektur/Entwurf, UniversitätKassel)

Mittwoch 13 Dezember - Samstag  16 Dezember
Öffnungszeiten: Mi-Sa 15h - 19h (Mittwoch bis 21h /Donnerstag bis 20h)

In zusammenarbeit mit  Fachbereich Architektur, Stadtplanung , Landschaftsplanung der Universität Kassel und des Studiengangs Architektur der Hochschule für Technik Zürich

Extreme Landschaften
Fünf Cheops-Pyramiden für die Schweiz

Präsentation der Ergebnisse des EntwurfStudios zum gestalterischen Umgang mit der Deponierung des Ausbruchmaterials beim Bau des Schnellbahnstreckennetzes durch das Zentralmassiv der Alpen (AlpTransit) am Beispiel des Ceneri Basistunnels zwischen Bellinzona und Lugano. Sowie einer Diplomarbeit zum gestalterischen Umgang mit der Deponierung des Ausbruchmaterials in der Buzza di Biasca beim Bau des Gotthardbasistunnels bei Biasca.

Im Studio wurden Lösungsansätze zum räumlich- gestalterischen Umgang mit der Ablagerung des Ausbruchmaterials erarbeitet. Die entstandenen und hier gezeigten Arbeiten oszillieren zwischen einem dezenten „Weiterbauen“ der vorgefundenen Landschaft, dem „sichtbar machen durch invertieren“ und selbstbewusster Hervorhebung des menschlichen Eingriffes. Trotz der erstaunlichen Bandbreite an Lösungsansätzen eint alle Arbeiten die intensive Auseinandersetzung mit der grundlegenden Frage nach der „richtigen“ Gestalt und Formensprache für eine neue, großmaßstäbliche Landschaft, insbesondere im Kontext der ihr innewohnenden Dynamik. Einer Landschaft, die ihre Entstehung einem gigantischen Bauvorhaben verdankt. Die hier dokumentierten Arbeiten sind damit nicht zuletzt auch ein Diskussionsbeitrag für den generellen Umgang mit den künstlichen Extremen Landschaften unserer Zivilisation.


EntwurfStudio des FG Landschaftsarchitektur/Entwurf
Diplomarbeit Extreme Landschaften - beWegung, Dipl. Ing. Lilith Schaffer

Prof. Ariane Röntz, Dipl. Ing. Timo Herrmann
FB6 Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung an der Universität Kassel

Eine Ausstellung der Uni Kassel in Kooperation mit Kunstraum Walcheturm und der Hochschule für Technik Zürich

Das Thema - Die Schweiz beteiligt sich an der umfassenden Modernisierung des europäischen Schnellbahnstreckennetzes. Zu diesem Zweck wird eine Flachbahnstrecke durch das Zentralmassiv der Alpen gebaut (AlpTransit Gotthard). Der Basistunnel am Gotthard - mit 57 km der längste Eisenbahntunnel der Welt - ist das Herzstück dieser neuen Bahnverbindung, der 2015 in Betrieb gehen soll. In einer zweiten Phase ist eine Erweiterung nach Norden bzw. Süden vorgesehen (20 km Zimmerberg-Basistunnel, 15 km Ceneri-Basistunnel). Insgesamt entsteht nicht nur eine Hochleistungsbahnstrecke, die die ständig wachsende Nachfrage im Gütertransport bedient, sondern durch die geringe Scheitelhöhe des Tunnels auf 550 m üNN eine flach gestreckte Trassierung. Dadurch wird erstmals eine effektive Nutzung für lange, schwere Güterzüge ohne zusätzliche Schiebeloks sowie von Hochgeschwindigkeitszügen im Personenverkehr möglich. Die Reisegeschwindigkeit zwischen Zürich und Lugano verkürzt sich um x Stunden auf 2 Stunden.
Der Bau der neuen Gotthardbahn führt zu extrem langen Tunnelbauten, die aus Sicherheitsgründen als System von zwei einspurigen Röhren mit Querstollen in ca. 300 m Abständen erstellt wird. Es kommt dabei zu einem gewaltigen Volumen an Ausbruch aus dem Bergmassiv: 24 Millionen Tonnen bzw. 13,3 Mio. m3 sind es alleine am Gotthardbasistunnel. Ein Volumen das ausreichen würde, fünf Cheops-Pyramiden zu bauen.
Insofern kommt der Materialbewirtschaftung eine entscheidende Bedeutung zu. Es handelt sich hierbei um eine äußerst komplexe Thematik, die neben technischen und logistischen, insbesondere wirtschaftliche und vor allem landschaftsgestalterische Komponenten aufweist.
Ein Teil des Ausbruchmaterials kann als Betonzuschlagsstoff oder direkt als Schotter im Tiefbau Verwendung finden. Hierbei erfolgt die Aufbereitung direkt vor Ort.
Für die noch verbleibende Ausbruchmasse in einer Größenordnung von ca. 18,2 Mio. t, die keiner Weiterverarbeitung zugeführt werden kann, ist die Deponierung an verschiedenen Orten vorgesehen. Weit fortgeschritten ist die Seeschüttung Uri, bei der insgesamt ca. 3,4 Mio. t Ausbruchmaterial verbaut werden sollen. An der Mündung der Reuss in den Vierwaldstättersee wurden hierzu in den letzten Jahren mehrere Inseln aufgeschüttet und die Renaturierung des stark überformten Flussdeltas betrieben. Bei dieser Maßnahme steht neben Naturschutzaspekten eine Verbesserung der Erholungs- und Freizeitnutzung im Vordergrund. Ziel war es hier auch gestalterisch ein Zeichen zu setzen, so dass diese Schüttung als künstliche Landformation erkennbar ist. Die Frage bleibt, inwieweit diese vergleichsweise „sanfte“ Intervention ausreicht den spannungsvollen Kontrast zwischen „natürlich“ und „künstlich“ insbesondere auch langfristig zu thematisieren.


Die Orte - Im Rahmen des Baus des Ceneri-Basistunnels bei Bellinzona wird das verbleibende Ausbruchmaterial (3,7 Mio. m3) bei dem Ort Sigirino im Valle del Vedeggio, Tessin abgelagert werden. Als Deponieort fungiert ein 150.000 m2 großes Gelände am Hangfuß des insgesamt 1188 m hohen Monti Bigorio. Das bewaldete Gelände wird gerodet und das Material in „landschaftlicher Form“ deponiert. Hierzu wird es in Lagen von 5m über Förderbänder aufgebracht und verdichtet. Anschließend erfolgt die Wiederansiedlung der ortstypischen Vegetation. Die Gestalt der Deponie soll sich in die Umgebung integrieren und nach einer Wiederbesiedlung durch die Vegetation möglichst nicht weiter in Erscheinung treten. Zielsetzung von AlpTransit ist dabei also eine möglichst „unauffällige“, der Bergformation sich „anpassende“ Deponierung. Mit den Arbeiten wird 2010 begonnen.
Im Rahmen des Baus des 57 Kilometer langen Gotthardbasistunnels wird am Südportal Bodio bei Biasca Ein Volumen des verbleibenden Ausbruchmaterials von 5,8 Mio. m3 in der Buzza di Biasca einem Mündungsdelta des Valle di Blenio, in das Valle Laventina im Tessin abgelagert. Als Deponieort fungiert ein 150.000 m2 großes Gelände. Hierzu wird das Ausbruchmaterial über einen 3 km langen Schutterstollen aus dem Valle Laventina mit Förderbändern zum Endlager in der Buzza di Biasca transportiert. Die Gestalt der Deponie wird sich in die Umgebung integrieren und nach einer Wiederbesiedlung durch die Vegetation möglichst nicht weiter in Erscheinung treten. Die Arbeiten werden 2010 abgeschlossen sein.


Die Arbeitsweise - Im EntwurfStudio, dem 13 Studierende der Landschaftsplanung (Hauptstudium) angehören, wurden Lösungsansätze zum räumlich-gestalterischen Umgang mit der Ablagerung des Ausbruchmaterials erarbeitet und erprobt. Dabei fand eine intensive Auseinandersetzung mit technischen Problemstellungen wie Wassermanagement, geologische Gesteinszusammensetzung, Vegetationsentwicklung, Erosionsverhalten um nur ein paar wichtige Parameter der jeweiligen Projektgebiete zu nennen statt. Es galt technische Notwendigkeiten in hochwertige Freiraumgestalt zu überführen.

Bei der Bewältigung der Gestaltung der Ablagerung und dem Entwurf galt es, wesentlich grundsätzlichere Fragen zu erörtern und letztlich individuelle Haltungen zu dieser nicht alltäglichen Aufgabe zu finden:
Wie verhält sich der massive, künstliche Eingriff zu der umgebenden „unberührten“ Naturlandschaft?
Wie können Visionen für die neu entstehende Landschaft aussehen? Gibt es ggf. sogar Nutzungen für die neue Landschaft?
Welche ästhetisch-formalen Standpunkte können wir dabei einnehmen?
In welchem Verhältnis stehen geplante Gestalt und dynamische Naturprozesse zueinander, insbesondere auch bezogen auf die Zeit?

Aufbauend auf einer Analyse der entscheidenden Bestandsaspekte wurden in einem zweiten Schritt mögliche Entwurfsparameter wie Landschaftsgenese, Sedimentations- und Erosionsprozesse, Vegetationsentwicklung, Gesteins-/ Materialkunde, Wasserversorgung, Besonnung/ Verschattung isoliert und im Zusammenhang untersucht, die einen Einfluss auf die Formfindung und die letztendliche Gestalt der Deponie nehmen können. Dabei stand das Prozesshafte der zeitlichen Entwicklung im Vordergrund. Abfolge und Ergebnisse der durchgeführten Experimente wurden durch Film und Bildreihen sowie in Beschreibungen dokumentiert. Neben der Sukzession kristallisierte sich dabei der Faktor der Erosion bzw. Sedimentation als wichtigster „Formgeber“ heraus. Aus den Experimenten generierte sich im Anschluss häufig die Idee für die konkrete Gestaltung der Deponie.

Die abstrakte Beschäftigung mit dem Thema oder Themenkomplex, unabhängig von dem konkreten Ort schafft geistigen Freiraum ohne sich den örtlichen Gegebenheiten und einschränkenden Bedingungen unterzuordnen. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse ließen sich ihrerseits dann wieder auf den realen Ort anwenden. Hierbei kam es zwangsläufig zu notwendigen Anpassungen, woraus sich wiederum neue Aspekte für den Entwurf ergaben ... in diesem Wechselspiel zwischen experimenteller Suche, analytischer Überprüfung und Korrektur sowie Generierung und Verarbeitung neuer Inputs entstanden Gestaltideen für den realen Ort.

Hierbei wurde der Begriff „Prozess“ von großer Bedeutung. Die Ablagerung des feinkörnigen Ausbruchmaterials unterliegt dynamischen Prozessen durch Wind- und Wassererosion, durch Besiedlung mit Vegetation. Unabhängig davon, ob man dies ungehindert zulässt oder in diese Dynamik regelnd eingreift, werden diese Prozesse in Abhängigkeit der Zeit auf unsere Gestaltlösungen deutlich Einfluss nehmen.

Vom Projektort unabhängige großmaßstäbliche topografische Situation in einfachen Arbeitsmodellen entwickelt, lieferten Ergebnisse zu Winderosion, Wassererosion und Besiedlung mit Vegetation auf der Grundlage unterschiedlicher Gestalt- der Geländeformationen. Diese wurden durch das prozesshafte Eingreifen bzw. Steuern der Parameter durch weitere Aspekte erweitert.


Gestaltungskonzepte - Die entstandenen und hier gezeigten Arbeiten oszillieren zwischen einem dezenten „Weiterbauen“ der vorgefundenen Landschaft, dem „sichtbar machen durch invertieren“ und selbstbewusster Hervorhebung des menschlichen Eingriffes. Trotz der erstaunlichen Bandbreite an Lösungsansätzen eint alle Arbeiten die intensive Auseinandersetzung mit der grundlegenden Frage nach der „richtigen“ Gestalt und Formensprache für eine neue, großmaßstäbliche Landschaft, insbesondere im Kontext der ihr innewohnenden Dynamik. Einer Landschaft, die ihre Entstehung einem gigantischen Bauvorhaben verdankt. Die hier dokumentierten Arbeiten sind damit nicht zuletzt auch ein Diskussionsbeitrag für den generellen Umgang mit den künstlichen Extremen Landschaften unserer Zivilisation.

Teilnehmer

Entwurfsstudio

Beschorner, Kai
Hirschmann, Katja
Kühnemund, Kerstin
Lang, Kirsten
Lenzner, Wendelin
Oehlerking, Svenja
Riepert, Esther
Ropte, Franziska
Schüller, Franziska
Seeger, Marc
Sippel, Sebastian
Vorderwülbecke, Anne
Worm, Daniela

Diplomarbeit

Dipl. Ing. Lilith Schaffer,


Betreuung

Prof. Ariane Röntz, Dipl.Ing. Timo Herrmann
FG Landschaftsarchitektur/ Entwurf
FB 06 der Universität Kassel

Kassel, im Dezember 2006