Nik Emch "AHH"

Ausstellung

Mittwoch 27.08.2008 – Freitag 12.09.2008

Nik Emch "AHH"

NiK Emch "Ahh"
(Installationen, Malerei)

(Guests: Minimetal)

Der Zürcher Künstler Nik Emch präsentiert im Kunstraum Walcheturm drei Soundskulpturen:
das neuste Werk "Psychoanalytiker" aus dem Jahre 2007 sowie die Installationen "Bassistinnen" aus dem Jahre 2008 und die in Kooperation mit Laurent Goie unter dem gemeinsamen Label Minimetal im 2007 entstandene Soundskulptur Velvet Underground.

Ausstellung unterstützt durch www.videocompany.ch

Nik Emch "AHH"

Die drei Werke beschäftigen sich mit der Selbstbetrachtung, dem femininen Klangkörper und der Rockmusik. Es sind prozesshafte Arbeiten die sich teilweise über Jahre hinweg zur fertigen Installation entwickelt haben.

Die präsentierten Installationen sind Schlusszustand einer langen Entwicklung, die von ihrer performativen Variante bis zu der Endform als Skulptur reicht. Sie demonstrieren die Prozesshaftigkeit der Arbeitsweise von Nik Emch und betonen den künstlerischen Anspruch, Sound zur Skulptur zu formen.

Seit 1989 arbeitet Nik Emch in der Bildenden Kunst und in der Musik. Diese zwei Bereiche haben sich schon immer gegenseitig beeinflusst und inspiriert. Seit dem Jahr 2000 hat der Künstler diese Bereiche verbunden und begonnen Installationen zu schaffen. Mit der Bezeichnung Soundskulptur hat er dieser Situation sprachlich Rechnung getragen. Die Verbindung und Verschränkung vom Sound mit der Skulptur zu einer Soundskulptur, in der sich die Musik verkörperlicht und der Körper zur Musik wird, ist das Programm dieser Entwicklung.

Die Ausstellung im Kunstraum Walcheturm markiert eine bedeutsame Etappe in diesem Prozess. In jeder dieser Ereignisketten hat eine musikalische Performance stattgefunden. Während der Performance entsteht durch die Musik oder durch die Klangbildung eine Farbe, die sich, wie in der Malerei, in das installative Gesamtwerk einfügt. In der Installation werden dreidimensionale Elemente zu Trägern dieser Klangfarbe. Bei den 9 Psychoanalytikern bleiben Gemälde aufgeladen und ohne Ton zurück, die während der Performance als Bilder mit dem Klang in Zusammenhang gebracht wurden.


„ Psychoanalytiker “

Nik Emch hat für das Psychoanalytische Seminar Zürich (PSZ) die Soundskulptur 9 Psychoanalytiker geschaffen. Sie wurde am 1.Dezember 2007 anlässlich der erstmaligen Verleihung des vom PSZ gestifteten Preises The Missing Link. Der Preis für Psychoanalyse und ... in der Shedhalle in Zürich aufgeführt und präsentiert.

Zur Vorbereitung auf diese Arbeit traf sich Nik Emch mit den 9 Psychoanalytikern zu einem Gespräch. Diese Gespräche nannte er Mini-Analysen. Sie bestanden aus 2 Sitzungen, in denen er von seinen Gedanken zu der bevorstehenden Arbeit erzählte, die sich beim Reden immer wieder zu zersetzen drohten. Schon vor diesen Begegnungen machte er – zur Einstimmung sozusagen – Zeichnungen dieser 9 Analytiker, von denen er die meisten noch gar nicht kannte. Diese Schwarz-Weiss-Zeichnungen, mit grossem Filzstift hergestellt, haben den Charakter von Scherenschnitten, zeigen grosse, fast massige Figuren auf weissem Grund.

Nach einer längeren Zwischenzeit ging er daran, Bilder dieser Mini-Analysen zu malen. Dazu mischte er zunächst einmal einen eigenen Braunton für jeden einzelnen Psychoanalytiker. Aus dieser Farbmolasse, die dem Teint der einzelnen Körper entsprechen könnte, schuf er dann intuitiv und assoziativ die Bilder zu den 9 Psychoanalytikern. Es sind – wie schon die Zeichnungen im Vorfeld – sehr körperbezogene Bilder. Waren die Körper der Zeichnungen noch sehr flächig und fast grobschlächtig, so sind die der Bilder viel differenzierter, skulptural und irgendwie in Auflösung begriffen. Es sind Spuren von Erinnerungen, von Erinnerungen äusserer und innerer Eindrücke. Diese 9 Bilder malte Nik Emch während ungefähr eines Monats.

Kurz darauf kam es zu einem Treffen mit allen 9 Analytikern in seinem Atelier. Er stellte ihnen die Bilder vor und schilderte ihnen den Ablauf der Performance. Diese fand dann ca. 2 Wochen später als Abschluss der Preisverleihung des Missing Link statt:

Auf einem langen, vor dem Publikum platzierten Tisch waren die 9 Bilder aufgestellt, jedes von ihnen verhüllt. Etwas zur Seite versetzt befand sich der Künstler hinter einem Stehpult, auf dem er seinen Computer hatte. Auf mittlerer Höhe stand ein Mikrophon, am linken und rechten Rand des Tisches Lautsprecher. Dann kamen die 9 Psychoanalytiker und stellten sich vor den langen Tisch – jeder vor dem zu ihm gehörenden Bild.

Auf Zeichen von Nik Emch trat dann ein Analytiker nach dem anderen in die Mitte und klatschte einen ca. 10 Sekunden langen Rhythmus in das Mikrophon. Danach ging er zu seinem Platz zurück, enthüllte sein Bild und verliess die Szene. Jeder Klatschimpuls wurde von Nik Emch auf einen 60-sekündigen Loop aufgenommen, der immer weiter kreiste und von Analytiker zu Analytiker mit einem neuen Rhythmus bestückt wurde. Nachdem alle ihren Input gemacht hatten und diese Impulse auf dem Loop an- und in- und übereinander gelegt waren, begann der Künstler diese Klangsequenz mit dem Computer zu bearbeiten – wiederum assoziativ und intuitiv. Dabei entstand aus den einzelnen Vorgaben ein vielschichtiger, sich immer wieder auflösender und neu formierender Klangkörper – eine Soundskulptur. Ein Klangkörper, der – wie Nik Emch einmal sagte – ewig hätte weiterhallen können. So blieben mit Ablauf der Performance der Klangkörper und die Bilder als Teile der Soundskulptur zurück.

Inzwischen ist der Klang verhallt und es bleiben die 9 Bilder, die hier in der Ausstellung zu sehen sind.

Auf dem Video der 9 Bassistinnen blitzt und zuckt es dreimal, worauf es anschliessend zu einem Kippen im Film von farbiger zu schwarz-weisser Darstellung und dann zu einem Verschwinden des Bildes kommt – bis nach einer Weile alles wieder erscheint: das gewohnte farbige Bild ohne Störung.

Bei Velvet Underground, der dritten Arbeit in dieser Ausstellung, scheint eine Katastrophe passiert zu sein. Die Atmosphäre ist etwas unheimlich und gedrückt, die Box, aus der Minimetal immer wieder und in verschiedenen Zusammenhängen ihre Musik erklingen lassen, ist aus altem, gammligen Holz zusammengestückelt und muss von windschiefen Latten gestützt werden.

Auch die 9 Psychoanalytiker sind von dieser Vergänglichkeit geprägt. Die Mini-Analysen die Nik Emch unternommen hat, sind vergangen, vorüber ist auch die Performance und deren Klang verhallt. Die Bilder, die in dieser Ausstellung gezeigt werden, sind nicht nur Spuren der Erinnerung, sondern auch Spuren ihrer Auflösung.

Vergänglichkeit und Auflösung spielen in den Arbeiten von Nik Emch immer wieder eine grosse Rolle. Kill them all heisst beispielsweise ein CD-Sampler Sommermix aus dem Milleniumsjahr 2000. Deutlicher wird es in einer Arbeit für die Eidgenössische Stipendienausstellung: in ihr hat Nik Emch die Dekonstruktion der menschlichen Figur durch Picasso nachvollzogen und sie durch die Auflösung des Bildes selbst – des Bildkörpers, wenn man so will – durch die digitale Technik ergänzt. Das Bild als ganzes löst sich in einzelne – blaue – Punkte oder Flecken auf, die seine Vergänglichkeit markieren, das Moment seiner Zersetzung und seiner Zerstörung.

Gar nicht unähnlich dazu lösten sich auch die massigen und kompakten Körper der 9 Psychoanalytiker auf den Zeichnungen, die vor den Begegnungen Nik Emchs mit ihnen gemacht wurden, in den hinterher gemalten Bildern in filigrane, fast schon molekulare Organstrukturen auf. Die Auflösung und Zersetzung spielt sich dabei am Körper und am Bild von ihm ab und hinterlässt dort ihre Spuren.

Mit der Dekonstruktion des Bildes und des Bildkörpers entsteht aber gleichzeitig ein neues Bild. Dies veranschaulicht nicht nur die Reihe blau gepunkteter Bilder in den 90-iger Jahren, sondern besonders schön das Buch M, das der Künstler 1995 in Zusammenarbeit mit der Galerie Art Magazin entwarf und herstellte. Die 64 Seiten dieses Buches – alles Zeichnungen – lassen sich aus dem Buch heraustrennen, womit es sich als Buch gleichzeitig auflöst. Legt man die Seiten dann als Quadrat (8x8) aus, ergeben sich 3 Ebenen neuer Bilder. Zunächst die eines Gesamtbildes, dann solche verschiedener Teilungen, die sich wiederum zu einzelnen neuen Bildeinheiten zusammenfügen.

Bei der Performance 9 Gitarristen standen zu Beginn 9 einzelne Gitarren an einem Ständer – vergleichbar mit den 9 aufgestellten Bildern bei den 9 Psychoanalytikern. Dann kamen die 9 Gitarristen, nahmen die Gitarren aus dem Ständer und begannen mit ihrem Sound – auch das vergleichbar zu den 9 Klatschimpulsen der Analytiker, die auf dem Loop und mit dessen Bearbeitung zu einer Soundskulptur wurden.

In all diesen Arbeiten entsteht aus den einzelnen Teilen ein neues Gesamt, ein neuer Körper. Dieses beim Buch M so eindrücklich veranschaulichte Verhältnis reproduziert sich in den Soundskulpturen. Auch sie vollziehen – bereits im Titel – den Prozess einer Auflösung und Zerstörung, der immer wieder neue Bilder, neue Körper, neue Skulpturen generiert.

Der Körper ist als Klangkörper, als gemaltes, skulpturales, installatives Objekt das recording-system dieser Auflösung, das sich gleichzeitig immer neu verkörpert. Und wenn Nik Emch zu seinen Mini-Analysen bemerkt: „Ich selbst war der Recorder“, dann meint dies auch, dass das recording-system, in dem die Spuren der Erinnerung und ihrer Auflösung als immer neue Bilder und Verkörperungen eingetragen sind, der Künstler und sein Körper ist. Die CDs und ihre Covers, die Kassetten-Geräte, DVDs und Remote-Controls, die als Objekte und Bilder in seinen Arbeiten immer wieder auftauchen, all diese recording-systems sind – so könnte man sagen – andere Formulierungen und Verkörperungen des Künstlers als Ort ständiger Erinnerung und ihrer ebenso ständigen Auflösung.


Von daher ist es kein Wunder, dass es Nik Emch reizte, 9 Psychoanalytiker zu machen. Gerade als Analyse betreibt die Psychoanalyse eine Auflösung und Zersetzung vorgegebener Erinnerungen und Bilder. Als Recorder dieses Prozesses, in dem die Auflösung von Erinnerungsbildern neue Bilder schafft, fungiert – ganz ähnlich wie der Künstler – der Analytiker. Er skandiert diese Analyse mit Rhythmus und mit Takt. Und hinterlässt im Zuge seines eigenen Verschwindens – ganz wie in der Performance – einen nachhallenden Klang, der sich in einem Bild verkörpern wird.

Dr. Phil. Olaf Knellessen/ Zürich




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