HIERIG - HEUTIG

Ausstellung

Donnerstag 16.10.2008 – Samstag 01.11.2008

HIERIG - HEUTIG

Ausstellung:

Video-Installation von Anka Schmid

Vernissage: Donnerstag, 16. Okt. 08, 18h
Finissage: Samstag, 01. Nov. 08, 14h bis 19h

Konzept & Regie: Anka Schmid
Tanz: Kathrin Dobler & Andreas Fuster
Musik: Boris Blank (Yello)
Kamera: Patrick Lindenmaier
Montage: Marina Wernli
Video: Kollektiv Marinka

Bauten Kubus: SLS Illusion + Construktion GmbH
Bild-und Tontechnik: videocompany.ch
Produktion: Mano Film
Infos: www.hierig-heutig.ch

Ein Kubus, begehbar. 5 x 5 x 4 Meter. Aussen rot. Aus dem Innern dringen Elektroriffs. 2/4 Takt. Fiebrig. Mitreissend. Ein Sog zieht hinein. Der Türknauf verschafft Zutritt in den Kubus. Die vier Wände drinnen dienen als Projektionsfläche. In der Mitte stehend sieht man sich umtanzt von einer jungen Frau, einem jungen Mann. Bald rot, bald dunkel ist der Hintergrund, vor dem sie sich bewegen, bisweilen auch Graffiti versprayt. Ihn kleidet - schwarze Hose, weisses Hemd, rotes Gilet, schwarzes Lederkäppi - das Sonntags-Outfit eines Appenzellers. An seinem rechten Ohrläppchen blitzt ein silbriger Löffel. Sie trägt dazu passend Traditionelles: die Festtagstracht der Appenzellerin: Weiten blauen Rock, blaugraue Schürze, weisse Bluse, Strümpfe, schwarze Schuhe. Verziert, bedruckt, reich bestickt. Auf ihrem hochgesteckten Haar thront stolz eine filigrane, schwarze Haube.

Ein schönes Paar. Ein starkes, sich ebenbürtiges Paar auch. Sie tanzen. Miteinander, umeinander herum, einander nach. Bewegen sich zu riffartig-geschmeidiger, dunkel-vibrierender, elektrisierend-elektropopiger Musik. Sie hat etwas Sogartiges, Tragendes, man möchte sagen: Zwingendes an sich, diese von Boris Blank komponierte Musik. Und so tanzt das Paar. Im Kreis und nochmals im Kreis. Die Choreographie ihres Tanzes zeigt die Schrittfolgen, Gesten und Figuren eines traditionellen Appenzeller Tanzes, des „Hierig“. Es ist ein getanztes Lied ohne Worte. Seine Strophen schildern in Stationen den Verlauf einer Liebesbeziehung: Von der ersten Annährung, über das Sich-Necken, Zanken, Streiten, Versöhnen bis zur erneuten Annäherung. Es gibt nur wenige, die den stark pantomimisch geprägten Tanz beherrschen. Seine Choreographie ist wird innerhalb einem engen Kreis von Familien an die jeweils begabtesten Tänzerinnen und Tänzer der nächsten Generation weitergegeben wird. Er wird an Festen und Stubeten aufgeführt und zwar nur von einem einzigen Paar.

Im Volkstümlich-Traditionellen wurzelt Anka Schmids Video-Installation „Hierig - Heutig“. Wurzelt aber auch im tief Kreativen der Künstlerin und verweist auf ihr bisheriges Schaffen. Auf ihre experimentell-verspielten kurzen Arbeiten („Habibi, ein Liebesbrief“ (1986), „Die Reise zur Südsee“ (1986), „Little Sister“ (1998), „Das Engadiner Wunder“ (2000)), in denen sich Schmid seit Jahren mit der Begegnung von Frau und Mann in der Liebe beschäftigt. Auf ihre so feinfühlige wie engagierte Auseinandersetzung mit - nicht nur schweizerischen – Traditionen und Ritualen in ihren längeren, dokumentarischen Filmen („Techqua Ikachi. Land - mein Leben“ (1989), „Magic Matterhorn“ (1995)). Auf Schmids vor allem auch in ihren Installationen zu beobachtende Vorliebe für ein umfassend-kreatives Schaffen, welches Bild und Ton, Film und Musik, Körper und Phantasie die gleiche (Ge-)Wichtigkeit zuschreibt. Mit Anmut und Sorgfalt hat Schmid den alten Appenzeller Tanz aus seinen Fugen gehoben. Liess dem Liebespaar ihre traditionelle Kleidung und behielt auch die originale Choreographie bei. Doch sie hat ihnen die herkömmliche Musik geraubt und eine neue, modernere geschenkt. Und sie hat die Tanzvorführung aus dem üblichen Rahmen gelöst. So bewegen sich die Tanzenden nun im künstlichen Raum. Im Spiel mit Licht und Bewegung erscheinen sie bald real, bald als schemenhafte Schatten. Werden zu symbolischen Figuren: dem Mann, der Frau an sich. Der Tanz wird in Schmids Video-Installation zum endlosen Rondo geloopt und zeigt in der modernen künstlerischen Transformation ein auf ewig die menschliche Liebesbeziehung spiegelnder Reigen.
Text: Irene Genhart


Unterstützt von: Pro Helvetia - Zürcher Filmstiftung - Migros-Kulturprozent - Ernst Göhner Stiftung - Fachstelle Kultur Kanton Zürich - Stiftung Pro Innerrhoden - Präsidialabteilung der Stadt Zürich - Dr. Adolf Streuli-Stiftung – Private Förderinnen.