Pilot

Projekt

Samstag 29.03.2003 – Sonntag 06.04.2003

Pilot

Die erste Klasse und damit Pilot-Studienjahrgang des 1998 gegründeten
Studienbereichs Neue Medien (SNM) schliesst in diesem Frühjahr mit
dem Diplom ab. Mit dem SNM hat die HGKZ einen Studiengang
geschaffen, der StudentInnen zu Medienautoren ausbildet und der
Computer und Netzwerke traditionellen künstlerischen Medien wie
Fotografie, Film, Malerei oder Literatur gleichstellt.
Die hier gezeigten studentischen Abschlussprojekte zeichnen sich
durch vielfältige Medienformate wie Softwareapplikationen,
Netzarbeiten, Hardware-Schnittstellen, soziale Kommunikationsräume
und Games aus. Sie sind gleichzeitig experimentelle offene
Versuchsanlagen, die Informationen aus verschiedensten
gesellschaftlichen Kontexten durcharbeiten, und so ein Aufbrechen
eingefahrener Denk- und Verhaltensstrukturen sowie potentielle
Handlungsmöglichkeiten eröffnen wollen. Die Ausstellung bietet dem
Publikum die Möglichkeit, zu überprüfen, inwiefern solche
experimentellen medialen Anlagen in der Lage sind, ästhethische
Spielräume für eine kritische kulturelle oder künstlerische Praxis zu
schaffen.


Ausstellungskonzept: Patrick Huber; Kunstraum Walcheturm


Weitere Informationen:

SNM:irene.sommer@hgkz.ch, Telefon 01-446.23.53,
www.snm-hgkz.ch

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Thematisch erschliessen die acht Abschlussarbeiten ein breites Spektrum.
So können der Besucher, die Besucherin etwa am Computer einen abstrakten Stadtplan erzeugen, mit dem, in Anknüpfung an die Tradition der Situationisten ( mit einem Stadtplan von London durch Paris laufen )
eine reale Stadt (Zürich) mittels anfangs alltäglich erscheinender Handlungsanweisungen als urbaner Datenraum erlebt und erforscht werden kann. Während sich eine Arbeit mit den Möglichkeiten der Geschenkökonomie und des Potlatch im Zeitalter des Netzes auseinandersetzt
oder ein sieben Millionen Dollar teures Videospiel des Pentagons zur Rekrutierung junger Soldaten zum Anlass genommen wird, in einer spielerischen Installation die BesucherInnen zu Mitgliedern einer virtuellen Armee auszubilden, schlägt ein anders Projekt vor, den Raum der Gentechnologie zu einem solidarischen, gesellschaftlichen Handlungs- und Interventionsraum zu öffnen.
Die Wahrnehmung des Besucher, der Besucherin wird in eine magische Stalker-Zone eines Expeditions- und Abenteurgames geleitet, oder er bzw. sie kann sich einem lustvollen Sinnesexperiment mittels neuer Technologien aussetzen, indem der eigene
erfahrende Körper Teil des künstlerischen Prozesses wird.
Andere Projekte loten die Möglichkeiten vom Computer und von Netzwerken als Medien für Lernzwecke aus, sei es durch die Herstellung und Erprobung eines neuartigen digitalen Agenten für die Wissensaneignung von StudentInnen oder als Lernapplikation für Kinder der Oberstufe.

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Felix Eggmann / Max Rheiner
FAX BOOT FORCE: Become an Engine of One

Mit dem neuen Videospiel „America’s Army: Operations“
wirbt das amerikanische pentagon um Nachwuchs fürs Militär.
Zum Preis von sieben Millionen Dollar ließ das Pentagon
das Online-Projekt „America’s Army: Operations“ entwickeln.
„Wir hoffen, mit diesem Spiel junge Amerikaner schulen zu
können, und präsentieren ihnen eine realistische Perspektive
einer modernen Armee.“

Das Projekt befasst sich mit den Schnittstellen zwischen
Gesellschaft und Krieg/Armee im Medienzeitalter.
Kriege verändern sich mit ihrer Umwelt. Das Bild des Soldaten
ist momentan in einem extremen Wandel vom Kollektivmitglied
zum Individualisten.
In einer spielerischen Installation werden Ausstellungsbesucher
zum FAX ARMY SOLDIER rekrutiert und einer digitalen Einheit
zugeteilt. So wird eine virtuelle Armee aufgebaut. Das Verhalten
während der Rekrutierung beeinflusst den Werdegang des Soldaten.

Stefano Vannotti
RE:TOUR

Die Stadt ist ein komplexer Datenraum. Ein Netzwerk von sichtbaren
und unsichtbaren, analogen und digitalen Datenströmen und Datenschichten.
Der urbane Alltag wird immer stärker durch ein permantentes Spannungs-
verhältnis zwischen physisch, virtuellem und mentalem Raum geprägt.
RE:TOUR thematisiert diese totale Vernetzung: Mit Hilfe einer
Software Applikation, lassen sich der (Stadt-)Raum und (Alltags-)Handlungen
in praktische "digitale Informationseinheiten" zerlegen und re-kombinieren.
Auf diese Weise werden neue Stadtalgorithmen generiert, die als Karte
ausgedruckt und im Real Raum ausgeführt werden können.

Christina von Rotz / Franziska Kempf
[ A C T G ] enom

Die gesellschaftlichen Diskussionen gehen von der Vorstellung aus, dass
die DNA das Programm für die Entwicklung des Menschen enthalte.
Gentechnologie wird explizit mit dieser Vorstellung verbunden. Nur, die
DNA IST KEIN CODE! Erst die Überwindung dieses Reduktionismus
öffnet neue Handlungsräume, utopische Möglichkeiten zu einer
solidarischen Nutzung der Gentechnologie. Der Reduktionismus
dagegen führt zu neuen Ausgrenzungen. [ A C T G ] enome möchte in diesen Raum
intervenieren und auf diesen Reduktionismus hinweisen.

[ A C T G ] enome spielt mit DNA-Manipulationen aus online-Daten der gentechno-
logischen Labors und deren gesellschaftlicher Wirkung auf das Kreaturale.
In der Installation präsentieren sich diese Handlungen - Wirkungen in
vernetzten, kommunizierenden Animationen mit Interface.

dd
Sexual Intelligence

Vom Sinn der Sinne or how far can sex go?
‚Sexual Intelligence’ steht für aussergewöhnliche Sinnesexperimente mittels
neuer Technologien. Mit der Entwicklung der Technologie und die vom
Lustprinzip durchdrungene Cyberkultur verändern sich auch unsere Körper und
Bedürfnisse. Wir spiegeln unser Selbstbildnis in unserem Umgang mit
Technologie. Neue Technologien ermöglichen es uns, den Körper auf
radikal neue Weise wahrzunehmen und zu erfahren, woraus sich eine
neue Libido entwickeln kann.
Jeder Mensch ist als Medium zu betrachten. Der Fokus liegt dabei auf dem
Körper und seinen Sinnen zur kreativen Erforschung. Der Körper wird in einer
multisensorischen Umgebung zur intuitiven Schnittstelle zwischen dem
menschlich-emotionalen und maschinischen Feedback-System mittels
biometrischer Messungen.
Der Körper verschwindet nicht, sondern wir erhalten einen neuen Blick dafür,
durch das Spiel mit Körperlichkeit und Sexualität, wird die Grenzauflösung
zum befreienden Potential, es findet eine Wiederverkörperung der Sinne
statt und zugleich eine Umwertung sexueller Werte. Der menschliche Bedarf
an Wirklichkeit, die faktisch und körperlich erlebbar ist, bringt die eigene
Körperlichkeit näher, es geht nicht darum bekannte Muster zu wiederholen,
sondern in einem neuem Umfeld neu zu kontextualisieren und erfahrbar zu machen.
Der eigene Körper wird zum erfahrenden Kunstwerk.


Mario Purkathofer
luxus4all.org | public net shelte


Luxus4all.org ist ein Webinterface mit offenem Zugang zu freien
Informationsprodukten. Luxus für alle - ein freier Markt für Informationen,
Konzepte und deren Benutzerinnen. Produzentinnen von Informationen, Ideen
und kreativen Theorien sind aufgerufen ihre unvollständigen Werke unter eine
offene Lizenz zu stellen. Im Public Net Shelter [öffentlicher Netzschutzraum
ganz hinten links in der Ausstellung] sind diese Informationen als offene
Produkte erhältlich. Mit dem Erwerb eines solchen Produkts ist man nicht
Besitzer einer Ware, sondern mitverantwortlich für Publikation, Distribution
oder die kommerzielle Verwertung. Verbunden damit ist der exklusive Zugang
zum Webinterface webpots+tools auf luxus4all.org, die bei der Prozessierung
der erhaltenen Informationen hilfreich aber nicht zwingend notwendig ist. Es
soll eine Plattform für eine Vielzahl von offenen Produkten darstellen,
deren Veränderungen hier verfolgt werden können. Auf Luxus4all soll in
Zukunft verstärkt Öffentliches Eigentum unter verschiedene freie Lizenzen
gestellt werden. Inhaltlicher Schwerpunkt liegt dabei nicht auf der
Reproduktion von Software [die mit der GPL und Sourceforge bereits adäquate
Umgebungen besitzen] sondern auf konzeptionellen Beiträgen, kleinen Scripts,
Musik, Texten und künstlerischen Artefakten aller Art.


Marcel Kuster
MINDSPIDER an adaptive learning assistant.

Die Diplomarbeit befasst sich mit der künstlichen Wissensaneignung von
Agenten. Der Assistent soll als Unterstützung in der Recherchenphase von
Semesterarbeiten in Hochschulen eingesetzt werden. Der MINDSPIDER hilft den
Studierenden im Erarbeiten von Grundlagenwissen, dem Kontextualisieren und der
semantischen Integration von Inhalten. Mit dem kognitiven Ansatz transformiert
der Assistent Wissen aus den Handlungen des Benutzers und transformiert dieses
in relationale Daten. Er entwickelt dabei verschiedene Bewertungskriterien,
die sich variabel den Handlungen oder dem Wissensstand anpassen. Mit dem
MINDSPIDER wird es zukünftig möglich sein, Informationsquellen
zurückzuverfolgen oder Schlüsse über die Aktivitäten eines Lernenden zu ziehen
und diese auch zu bewerten. Ein sogenannter „knowledge viewer“ publiziert die
semantische Beziehungen von Objekten und deren Relevanz zum aktuellen
Wissensstand.
Um die ganze Idee auf die Spitze zu treiben, müsste man die Frage stellen:
Können Agenten auch promovieren?

Das Projekt soll sich an der aktuellen Debatte der Encodierung des Menschen
(Neuroinformatik, Genetik) beteiligen. Wie kann man Wissen künstlich erzeugen
ohne dass es als künstlich wahrgenommen wird? Aus welchen Bestandteilen
besteht Wissen, wie werden diese codiert usw.

www.mindspider.net/~mkuster

Karin Leuthold
HYDREN

"HYDREN" ist ein Agent, ein Hilfsprogramm, das an einer bestehenden
Lernapplikation für Kinder der Oberstufe anknüpft. Diese Applikation
hat beim durchgeführten Usability Test gezeigt, dass sie ein zusätzliches
Hilfeangebot benötigt.

Der Agent führt die Benutzer durch die Applikation und hilft ihnen, die Aufgabe
zu erfüllen: er folgt seine Aktionen, leistet Hilfe und gibt laufend
Rückmeldung
und zeigt sich dabei emotional. Der Agent macht Mut und bewundert die
geleistete
Arbeit, andererseits zeigt er sich ängstlich, wenn der Benutzer mit der Aufgabe
beginnt, er fühlt mit ihm mit.

Kann so ein Wesen auch ein abstraktes Aussehen haben? Können Emotionen
auch ohne den klassischen Merkmalen der Charakter-Animation vermittelt
werden? Wird „HYDREN“ auch ohne Gesicht als Wesen akzeptiert und
ernst genommen?


Gleb Vdovine
Stalker-ZONE

Das Expedition- und Abenteuer-Game (Stalker-ZONE), basiert auf der
Geschichte des Buches der Gebrüder Strugatzki „Picknick am Wegesrand“.
Die Erde wurde vor einigen Jahren von einem Phänomen aus dem Weltraum
getroffen. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um einen Meteoriten oder
um einen außerirdischen Besuch. Was es genau war, bleibt ein Rätsel.
Es wurden keine Kontakte aufgenommen, jedoch entstanden als Resultat
dieses Besuchs sechs Gebiete. Jedes Gebiet besteht aus drei
Handlungsspielräumen:
Stadt, Grenze und ZONE.

In der ZONE gehen seltsame Dinge vor sich. Sie ist voll seltsamer, magischer,
meist absolut tödlicher Gegenstände, welche sich jedem Verständnis entziehen.
Militär-Truppen, die in die ZONE geschickt wurden, kehren nicht zurück.
Daraufhin wird die ZONE mit Polizeikordons umzingelt.

Einige "Schatzgräber", sogenannte Stalker, dringen illegal durch die Grenze
in die ZONE ein und holen Gegenstände (Habare/Artefakte), die nur unter
hohen Menschenopfern geborgen und auf dem Schwarzmarkt verkauft werden können.

Die Aufgabe (Beruf(ung)) der Stalker, der Hauptcharakteren des Games, ist es,
Personen in diese bewachte ZONE zu bringen. Die ZONE wird ausserdem durch
Wissenschaftler erforscht („Institut“) und durch die Polizisten an
der Grenze bewacht.

Nach jedem ZONEN-Besuch findet der Spieler neue, mutierte ZONEN vor,
die es zu bewältigen gilt.