
Festival
Freitag 14.03.2025 – Sonntag 16.03.2025
Taktlos Festival 2025
Mit dem Trio Heinz Herbert übernimmt zum ersten Mal eine Band die Programmkuration des Taktlos Festivals. Da es bei Mario Hänni, Dominic Landolt und Ramon Landolt immer ums Ganze geht, war von Anfang an klar: Die Kuration sollte mehr beinhalten, als sich auf ein Thema oder Konzept zu einigen und anschliessend eine Auswahl von Musikschaffenden einzuladen. Vielmehr steht die Summe der Teile im Vordergrund. Das Festival ist als Gesamterlebnis gedacht, als Happening, das einen eigenen Kosmos erschafft. Damit knüpft das Trio Heinz Herbert unter anderem an seine Erfahrungen bei der 2015 erstmals durchgeführten Performance Week an, wo die Band eine Woche lang einen Ort bespielte, dabei jeden Abend neue Schwerpunkte setzte sowie mit Performances und Videokunst einen interdisziplinären Austausch pflegte. So geht es auch beim Taktlos 2025 darum, einen Rahmen und damit Raum zu schaffen für Experimente, die sonst im Alltag von Musikschaffenden zwischen Konzerttourneen, Studiozeit und Proben kaum Platz finden. Dem Austausch mit dem Publikum kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Hierarchien und festgefahrene Strukturen werden aufgebrochen: Wann beginnt ein Konzert? Mit dem ersten gespielten Ton? Beim Betreten des Saals? Oder schon beim gemeinsamen Abendessen einige Stunden davor? Gewiss gibt es auch beim Taktlos 2025 eine Bühne, es gibt Konzerte, die zu einem bestimmten Zeitpunkt anfangen und mit Applaus beendet werden. Aber das, was davor, dazwischen und danach passiert, soll ebenso gefeiert werden.
Der Gesamtheit aller Konzerte kommt eine zentrale Bedeutung zu. Mit Visuals und architektonischen Interventionen wird ein szenografischer Bogen über das ganze Festival gespannt. In der Mitte des Geschehens gibt es eine Bar. Die Magie der einzelnen Konzerte soll in den Pausen und Übergängen zwischen den Acts weiterklingen, wobei der Freitag- und der Samstagabend mit DJ-Sets vollendet werden. Tanzen ist ausdrücklich erwünscht!
In einem «Sonic Room» ist eine Klanginstallation aufgebaut, zu der alle beteiligten Musiker*innen ein Klangfragment beigesteuert haben. Zudem wird der Raum an einem Tag von einer Multichannel-Soundinstallation der amerikanischen Klangkünstlerin Olivia Block bespielt.
Was das Publikum beim Taktlos 2025 erwartet, lässt sich vielleicht am besten mit einem von Sternbildern übersäten klaren Nachthimmel vergleichen: Verschiedenste Lichtgestalten der experimentellen Musik bringen ihre spielerische Energie auf die Bühne, die sich im Verlauf des Festivals mit den anderen Eindrücken zu einem Gesamtbild dessen verdichtet, was in der aktuellen Musik alles möglich ist.
Freitag, 14. März
20:30 Uhr Olivia Block
Olivia Block, Piano, Organ, Voice, Field recordings and Electronics
21:45 Uhr Le Recueil des Miracles
David Meier (Drums), Louis Schild (Bass), Clara Levy (Violin), Laurent Estoppey (Saxophone), Antoine Läng (Voice, Jew's harp), Anne Gillot (Recorders, bass clarinet), Laurent Bruttin (Bass clarinet, clarinet, Jew's harp), Gaspar Pahud (Sound)
23:00 Uhr Alicia Carrera
Alicia Carrera, DJ
Samstag, 15. März
20:00 Uhr Contagious
Sabine Ercklentz (Trumpet, Processing), Andrea Neumann (Inside Piano, prepared mixer), Mieko Suzuki (Electronics, turntables)
21:15 Uhr Roméo Poirier
Roméo Poirier, Electronics
22:15 Uhr Trio Heinz Herbert
Dominic Landolt (Guitar, fx), Ramon Landolt (Synthesizers, sampling), Mario Hänni (Drums, fx)
23:30 Uhr Authentically Plastic
Authentically Plastic, DJ, producer
Sonntag,16. März
14:00 Uhr Installation mit Olivia Block
16:00 Uhr Gerry Hemingway - Earl Howard Duo
Gerry Hemingway (Drums, Percussion, Voice), Earl Howard (Synthesizer, Saxophones)
17:15 Uhr Electric Indigo
Electric Indigo, DJ
Olivia Block
Olivia Block, Piano, Organ, Voice, Field recordings and Electronics
Mit einer beeindruckenden Anzahl an Projekten und Alben ist die in Chicago lebende Medienkünstlerin und Komponistin Olivia Block seit fast 30 Jahren in der experimentellen Musik aktiv. Sie spielt Konzerte auf der ganzen Welt und arbeitet auch mit Surround-Sound, erschafft Klanginstallationen mit Elementen der Musique concrète und schreibt Partituren für Ensembles und Orchester. Beim Taktlos lässt Olivia Block das Publikum sowohl mit einem Konzert als auch mit einer Installation in die Klangwelt des Meeres eintauchen. Die Mehrkanal-Komposition «Breach» ist eine immersive Klanginstallation, die aus Feldaufnahmen in einem Walschutzgebiet in Baja, Mexiko, in Kombination mit Synthesizerklängen entstanden ist. Im Konzert wiederum werden neue Kompositionen für Klavier, Orgel und Elektronik aufgeführt. Dabei verwandelt sich die Stimme der Künstlerin in Meereswellen, während sie über Themen wie das Vergehen der Tiefenzeit und die Geburt von Bergen unter dem Meer singt.
Le Recueil des Miracles
David Meier, Drums
Louis Schild, Bass
Clara Levy, Violin
Laurent Estoppey, Saxophone
Antoine Läng, Voice, Jew's harp
Anne Gillot, Recorders, bass clarinet
Laurent Bruttin, Bass clarinet, clarinet, Jew's harp
Gaspar Pahud, Sound
Im Projekt «Le Recueil des Miracles» spürt der Musiker Louis Schild dem Mythos der Tarantella nach. Dieser rasende Tanz zu ekstatischer Musik hat seine Tradition im Süden Italiens, wo ihm nachgesagt wird, dass er Frauen von Spinnenbissen zu heilen vermag. Als soziale Trance führt dieses weltlich-rituelle Fest die Gemeinschaft ausserhalb der klerikalen und politischen Autorität zusammen. Schild nimmt dies zum Anlass, diesen süditalienischen Tanz zum Punk, einem anderen transgressiven und politischen Musikgenre, in Beziehung zu setzen. Dafür bringt er eine Gruppe von Musiker*innen zusammen, um sich dynamisch in diese besondere Ausdrucksform, diese legitime oder ‹verrückte› Befreiung zu stürzen. Sie bilden dabei einen Kreis und spielen sich und das Publikum in Trance.
Alicia Carrera
Alicia Carrera, DJ
Als DJ und visuelle Künstlerin verschlug es Alicia Carrera von Galizien nach Berlin, wo sie ihr eigenes Plattenlabel LíO press gründete und dort unter anderem als Resident im Sameheads Club sowie in Clubs diverser Städte und Länder auflegt. Neben Platten sammelt sie auch VHS-Kassetten und kuratiert Events mit feinem Gespür für die Stimmung und Atmosphäre eines Abends. In ihren Sets treffen der Charme des frühen Chicago House auf die überschäumende Phantasie des Cyberdelic Techno, die rhythmische Direktheit des New Beat und New Wave auf eine besondere Vorliebe für unkonventionelle Melodien. Ihre Mixes für namhafte Radios wie NTS, Noods oder LYL werden für die sorgfältige Zusammenstellung von psychedelischen Soundscapes und verborgenen Juwelen abseits des Mainstreams geschätzt.
Authentically Plastic
Authentically Plastic, DJ, producer
Entgegen einem eurozentrischen Konzept des*der Künstler*in als allwissendem Genie verlässt sich Authentically Plastic verlässlich auf den Zufall als kreatives Prinzip. Der*die Musiker*in und DJ aus Kampala, Uganda, kombiniert sich polyrhythmisch aneinander reibende Beats und raue Sounds zu hypnotischen Tracks. Diese Mischung aus Gqom, Noise, Techno und ugandischen Rhythmen ist durchaus tanzbar, vermag aber auch eine unheimliche Mischung aus Begeisterung und Schrecken hervorzubringen. Mit dem feinen Gespür eine*r Architekt*in schafft Authentically Plastic cineastische Soundscapes voller Spannung, die zwischen Afrofuturismus und Dystopie mäandern. Innerhalb eines immer repressiveren politischen Systems handelt es sich dabei durchaus auch um queerfeministischen Aktivismus.
Trio Heinz Herbert
Dominic Landolt, Guitar, fx
Ramon Landolt, Synthesizers, sampling
Mario Hänni, Drums, fx
Seit über einer Dekade tüfteln Dominic Landolt (E-Gitarre), Ramon Landolt (Synthesizer) und Mario Hänni (Schlagzeug) an neuen Sounds und Klangkonstellationen. Die Energie und Wendigkeit einer Trio-Formation trifft auf höchste Experimentierfreude und eine fast schon naturwissenschaftliche Präzision in der Arbeit mit feinsten Klangelementen. Atomare Kohäsionskräfte verbinden scheinbare Gegensätze zu Klangwolken und hyperrealen Illusionen. Rhythmen industrieller Produktion werden bis ins Ekstatische beschleunigt, um sich plötzlich in eine ruhende Gestalt zu verwandeln. Die Fender Jazzmaster flickert und singt, der Kurzweil-Synthesizer setzt melancholische Akkorde in den Raum, das Schlagzeug umspielt sequenzierte Samples. Organisches trifft auf Synthetisches, Analoges auf Digitales, musikalische Abstraktion auf stimmungsvolle Nahbarkeit.
Contagious
Sabine Ercklentz, Trumpet, Processing
Andrea Neumann, Inside Piano, prepared mixer
Mieko Suzuki, Electronics, turntables
Contagious verbindet experimentelle Avantgarde mit elektronischer Musik. Intensive Improvisationen verdichten sich dräuende Klangwolken und apokalyptisch wummernde Drones. Andrea Neumann wendet auf ihrem selbst entwickelten, transportablen Inside Piano Feedback-Prozesse auf einfache Klaviersaiten an und schickt sie manchmal weiter an Mieko Suzukis Processing Rig, die ihre eigenen vorher aufgenommenen Klänge und ihre Fähigkeiten an den Turntables einsetzt, während Sabine Ercklentzʼ Trompetensounds durch dasselbe Processing-System schiessen. Gemeinsam kommunizieren die drei Musikerinnen in kompositorischen Logiken und futuristischen Strukturen, in denen fragile Klangtexturen und -impulse monumental werden.
Roméo Poirier
Roméo Poirier, Electronics
Der in Brüssel lebende Musiker, Fotograf und Rettungsschwimmer Roméo Poirier macht elektro-akustische Musik, die sich oft auf das Element Wasser bezieht. Seine Debüt-EP war der Soundtrack zu vier von Poiriers Lieblingsschwimmbädern, die Nachfolge-EP eine Ode an acht griechische Strände und Hotel Nota (2020) eine Liebeserklärung an das Angeschwemmtsein an einem leeren Strand. Beim Album Living Room (2022) wiederum hat Poirier Sounds mittels Hydrophon in seiner Badewanne aufgenommen. Mit subaquatischen Fieldrecordings und Loops schafft er unaufdringliche Musik, die durchaus als ‹Musique d’ameublement› (Eric Satie) funktionieren könnte und dennoch bei genauerem Hinhören immer wieder mit humorvollen Wendungen und ungewöhnlichen Klängen überrascht.
Gerry Hemingway – Earl Howard Duo
Gerry Hemingway, Drums, Percussion, Voice
Earl Howard, Synthesizer, Saxophones
Sie gehören beide mittlerweile zu den Urgesteinen der New Yorker Improv-Szene: Obschon die zwei Individualisten Gerry Hemingway und Earl Howard jeweils eine eigene Solokarriere aufgebaut haben und in verschiedensten Formationen unterwegs sind, reicht ihre Zusammenarbeit als Duo bis in die 1980er Jahre zurück. Der Schlagzeuger und Komponist Gerry Hemingway kreiert und spielt seit den 1970er Jahren Solo- und Ensemble-Musik. Ebenfalls seit über fünfzig Jahren im Geschäft ist Earl Howard, der das riesige Soundspektrum des Synthesizers mit einer unstillbaren Neugierde erkundet und gelegentlich auch zum Saxofon greift. Mit Elementen aus Neuer Musik, Improvisation, Free Jazz und elektronischer Musik gelingt es ihnen, das Publikum in einen Sog fantastischer Gegenwart zu ziehen.
Electric Indigo
Electric Indigo, DJ
Als DJ, Komponistin und Musikerin steht Electric Indigo für eine intelligente und differenzierte Interpretation von Techno und elektronischer Musik. Sie begann ihre DJ-Karriere 1989 in Wien, arbeitete in den 1990er Jahren im legendären Hard-Wax-Plattenladen in Berlin und setzte sich schon früh mit Organisationen wie dem transnationalen Netzwerk female:pressure für mehr Sichtbarkeit von FLINTA* in der Techno-Szene ein. In ihren Kompositionen und Live-Performances legt sie Wert auf die räumliche Platzierung und präzise Strukturierung subtil ausgearbeiteter Klänge, die oft mit Granularsynthese erzeugt werden. In ihrem neusten Album Ferrum (2020) arrangiert sie Aufnahmen verschiedenster metallener Objekte zu dichten Kompositionen, die brutale, schleifende Texturen mit einer binauralen Dreidimensionalität kontrastieren.